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Lost Place: Der riesige Keller der Likörfabrik Karl Marschner am Parduin

Historisches
  • Erstellt: 02.02.2025 / 20:01 Uhr von Marcus Alert
Mitten in der Brandenburger Altstadt wurden fast 150 Jahre lang Liköre, Weine und Obstsäfte hergestellt. Und das zumeist unterirdisch. Denn das Betriebsgelände der Weingroßhandlung und Likörfabrik Carl Marschner am Parduin 4 ist komplett unterkellert. Darauf standen zwei backsteinerne Gebäude. Das linke zweigeschossige Seitengebäude diente als Flaschenlager und das rechte der Spirituosenfabrikation. In den 1880er Jahren wurde dann auch noch ein Essighaus mit moderner Destillationsanlage errichtet.

In der Wende versuchte Geschäftsführer Detlev Zuckschwerdt nach der Reprivatisierung den Betrieb mit Lohnmosterei am Leben zu erhalten. Doch das funktionierte letztlich nicht. Nach und nach verschwand danach die nicht mehr benötigte technische Ausstattung. Auch sämtliche Tanks, in denen Moste und Weine gelagert wurden, veräußert man, genauso wie die Flaschenspülanlage, der elektrische Flaschenzug, der Destillierapparat oder den elektrischen Mischbottich. So sind heute in der weiträumigen Kelleranlage kaum noch Zeugnisse des Familienunternehmens zu entdecken. Neben einigen Holzfässern lagern im Untergrund noch Hunderte gläserne Gärballons. Eine neue Nutzung der Kelleranlage wie eine Weinstube erscheint derzeit völlig illusorisch.

Zumindest existieren noch einige historische Bilder. So eine Zeichnung und ein Gemälde, die das oberirdische Betriebsgelände zeigen. Hinzu kommen Zeichnungen der Destillationsanlage und der Tanks. Beides befand sich im Keller. Das rückwärtige Gebäude – 1911 nach einem Brand entstanden - mit Hofzufahrt von der Kapellenstraße, diente der Likörproduktion und beherbergt heute Wohnungen.

Mit einem Flaschenzug wurden die Rohstoffe in das oberste Stockwerk gehievt, wo sich Mischbottiche, Zuckerkocher und andere Apparaturen befanden. Über Schläuche gelankten die Spirituosen in 1000 Liter fassende Steingutgefäße. Danach folgten die Flaschenabfüllung und die Etikettierung. 32 Liköre wurden hergestellt, darunter „Feinster Wacholder“, „Russischer Kristal-Kümmel“, „Jamaika-Rum-Verschnitt“, „Halb und Halb“ oder „Feinster Schlummer-Punsch“. Von 1952 bis 1958 wurde der Likör „Fritze Bollmann“ hergestellt. An der Halsschleife war damals der Text des Liedes aufgedruckt.

Auch wenn der Betrieb immer abhängig von der Rohstoffzuteilung war und staatliche Stellen sich immer wieder einmischten, lief es wirtschaftlich ganz gut. Doch 1959 musste auf Weisung des Staates die Likörproduktion eingestellt werden. Ernst Zuckschwerdt stellte daher die Produktion auf Fruchtsäfte und Sirup um. Auch Lohnmosterei wurde den hiesigen Kleingärtnern angeboten. Um besser investieren zu können, wurde 1961 der Staat Anteilseigner der Carl Marschner KG. Als weiterer Geschäftszweig kam 1968 die Abfüllung von Pepsinwein in 0,35-Liter-Flaschen hinzu. Pro Saison wurden zudem etwa 60 Tonnen Obst verarbeitet.

Dann kam das Jahr 1972 und der Betrieb wurde als „VEB Obstkelterei Brandenburg“ in Volkseigentum überführt. Ernst Zuckschwerdt wurde Betriebsdirektor, sein Sohn Detlev trat 1981 in seine Fußstapfen. Eine Auflage bei der Umwandlung war jedoch alle Hinweise auf die Firma Marschner wie die Leuchtreklame zu entfernen. So gibt es heute nur noch ganz wenige Hinweise auf den alten Firmennamen.

Bilder

Die Firma Marschner am Parduin. Gut zu erkennen sind die St. Gotthardtkirche und der Rathenower Torturm. Foto: Archiv Alert
In den Tanks wurden die Produkte der Firma Marschner gelagert. Foto: Archiv Alert
Blick in einen der großen Keller der Firma Marschner. Foto: Archiv Alert
Einige wenige Holzfässer sind noch erhalten geblieben. Foto: Alert
Nur wenige Werbeschilder haben die letzten DDR-Jahre überstanden. Foto: Alert
Blick in den heutigen Innenhof der einstigen Likörfabrik. Foto: Alert
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