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Als aus der Jakobskapelle die Verrückte Kapelle wurde

Historisches
  • Erstellt: 24.12.2024 / 08:01 Uhr von Marcus Alert
Die Verrückte Kapelle ist nicht verrückt, sondern wurde verrückt. Und zwar um elf Meter in Richtung Westen. Das geschah im Jahre 1892 und war damals, ganz ohne moderne Technik, eine kleine technische Meisterleistung. Seitdem hat sie zumindest im Volksmund ihren Namen weg. Offiziell heißt das kleine Kirchlein allerdings bereits seit etwas über 700 Jahren St. Jakobskapelle.

37 Stadtverordnete beschlossen am 13. Mai 1892 für die Begradigung der Jakobsstraße 33.500 Mark zur Verfügung zu stellen. Die so wichtige Fernverkehrsstraße von Magdeburg nach Berlin musste hier einen Bogen machen. Deshalb sollte die Kapelle verschoben und die Brücke über den Jakobsgraben neu gebaut werden. Der Stadtbautat Albert Krzyzagorski hatte nicht nur den Plan entworfen, sondern übernahm auch gleich noch die Bauleitung. Zuerst wurde durch die Firma Tischer & Co. das neue Fundament für die Kapelle gegossen. Zugleich wurde von dem Kirchlein alles entfernt, was möglich war: Dachstuhl, Dachziegel, die Glocken, das Fliesenpflaster und zuletzt auch der gemauerte Altar. So mussten nur noch 4500 Zentner bewegt werden. Das entspricht in etwa dem Gewicht von mehr als 70 ausgewachsenen Elefantenbullen.

Nachdem das Gebäude inklusive Turm mit Balken versteift worden war, baute man aus weiteren Balken eine Art Schlitten. Die Balken wurden mit Talg und Seife beschmiert. Sechs Schrauben mussten nun von sechs Männern mit Hilfe von ein Meter langen Hebeln möglichst gleichmäßig gedreht werden. Jede Umdrehung bewegte das Kirchlein um zwei Zentimeter. Nach etwa zehn Umdrehungen mussten die Schrauben ausgewechselt werden. Am 18. Juli um 9 Uhr begannen diese Arbeiten. Am ersten Tag schaffte man 3,50, am zweiten 3,88 und an Tag drei war um 17 Uhr mit 3,62 Meter der neue Standort erreicht. Zügig erfolgte die Wiederherstellung der Kapelle. Bereits am 3. August 1892 waren die Arbeiten abgeschlossen. Der Rechnungsbetrag: 4.241 Mark. An diese Ingenieursleistung erinnert seitdem am Ostgiebel der Backstein-Kapelle eine Sandsteintafel.

Bilder

Auch die Macher der "Verrückung" ließen sich auf der Baustelle fotografieren. Foto: Archiv Alert
Die Kapelle an ihrem heutigen Standort. Foto: Archiv Alert
Die St. Jakobskapelle wurde auf eine Holzkonstruktion gestellt. Foto: Archiv Alert
Sechs Männer bewegten die Kapelle Millimeter um Millimeter. Foto: Archiv Alert
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