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Ein Blick in die Geschichte des Konsumvereins und deren einstiger Konsumzentrale in unserer Stadt

Historisches
  • Erstellt: 21.12.2024 / 20:01 Uhr von Reiner Heublein
Der Consum-Verein „Vorwärts“ (im weiteren Konsum) wurde auf Initiative von Ferdinand Ewald am 15. Mai 1889 gegründet. Zur Gründung zählte der Verein etwa 800 Mitglieder. Ewald war Sozialdemokrat und seine Initiativen reihten sich in die Konsumgenossenschaftsbewegung der damaligen Zeit ein. Der Grundgedanke war, die wirtschaftlichen Schwächen der Verbraucher organisatorisch zusammenzufassen. Die Konsumgenossenschaften kauften große Mengen Lebensmittel und sonstige Konsumgüter ein, um sie an ihre Mitglieder in kleine Mengen preisgünstig abzugeben.

Zum ersten Geschäftsführer wurde Paul Müller gewählt. Aufsichtsratsvorsitzender war der Gründer Ferdinand Ewald. Ab 1891 wirkte der Verein als Genossenschaft mit beschränkter Haftung. Dies verhinderte zwar die unbeschränkte Haftung der Mitglieder, doch wer einkaufen wollte, musste Mitglied der Genossenschaft sein. Ab 1896 gab es eine nicht steuerpflichtige zehnprozentige Rückvergütung, die aber im Laufe der Zeit immer rückläufiger wurde.

Der Verein in Brandenburg (Havel) hatte die ersten beiden Geschäfte in der Neustädtischen Heidestraße 58 und Plauer Straße 13. Verkauft wurden u.a.

Lebensmittel, Herrengarderobe und sogar Braunkohle. Schon nach 4 Wochen schloss die Polizei die beiden Geschäfte ohne besonderen Grund. Aber bereits ein viertel Jahr später wurde die Schließung stillschweigend wieder aufgehoben.

Im Jahr 1900 wurde eine Konsumsparkasse eingerichtet.

1903 hatte die Brandenburger Konsumgenossenschaft Brandenburg (Havel) 1994 Mitglieder, die für 821 000 Mark einkauften. Das erste Geschäft außerhalb von Brandenburg (Havel) gab es in Plaue in der Brandenburgischen Straße 143.

1914 hatte die Konsumgenossenschaft 10 Verkaufsstellen, zumeist auf eigen Grundstücken und umfasste annährend 4000 Mitglieder.

1929 wurde der "Konsumverein "Vorwärts" e.G.m.b.H. Brandenburg (Havel)" für das Grundstück Wilhelmsdorfer Landstraße 63 eingetragen.

Der heute denkmalgeschützte Gebäudekomplex wurde als Zentrale des Konsumvereins „Vorwärts“ 1929 nach Plänen von Rudolf Schröder im späten Bauhaustil errichtet.

Die Eröffnung in der Wilhelmsdorfer Landstraße fand am 1. Oktober 1930 statt. Der neue Komplex ersetzte das alte Kontor in der Steinstraße 23 und die Bäckerei in der Friesenstraße 6/7. Die neue Zentrale bestand aus einem Verwaltungsgebäude zur Hauptstraße, einem Wohnhaus, zwei Lagergebäuden und einer Bäckerei zur Westseite, der Wäscherei im Ostteil, dem Garagenkomplex, der Werkstatt und dem Pförtnergebäude.

Mitte der 20iger gab es 29 Verkaufsstellen mit über 13200 Mitgliedern. Der Jahresumsatz der 29 Verkaufsstellen betrug 2,5 Millionen Mark. 1927 waren es 32 Verkaufsstellen mit einem Jahresumsatz von 3826000 Mark. Geschäftsführer war zu dieser Zeit Albert Buch laut Adressbuch 1926/27. 1929 gab es dann schon 35 Verkaufsstellen mit 14000 Mitgliedern und der Jahresumsatz stieg über 4 Mio. Mark. Ab 1929 unterstützen 3 weitere Geschäftsführer (Bellin, Förster, Hätzel) den Konsum-Verein „Vorwärts“. 1933 hatte der Brandenburger Konsumverein sogar 40 Verkaufsstellen. Die Verteilerstellen befanden sich nicht nur in der Stadt, in Kirchmöser, Plaue und dem Görden, sondern waren auch in den ländlichen Orten, wie Michelsdorf, Groß-Behnitz und Deetz ansässig. Durch die Nachwirkungen der Weltwirtschaftskrise ging aber die Mitgliederzahl zurück.

Die Mitgliedsaufnahme konnte in allen Verkaufsstellen stattfinden. Der Vorstand warb u.a. auch noch ab 1929, dass Konsummitglieder bei der Sparkasse 5 Prozent Zinsen auf ihre Einlagen erhalten sollten.

Mit Errichtung der NS-Diktatur wurde der Konsum anfangs noch geduldet. Die Konsumgenossenschaften waren den Nationalsozialisten ein Dorn im Auge, den Mitgliedern wurde Druck gemacht, auszutreten. 1933 wurde die genossenschaftliche Rückvergütung auf 3% beschränkt, damit entfiel der besondere Vorteil, den nur die Genossenschaften bieten konnten. Weiter wurden die Spareinrichtungen der Konsumgenossenschaften verboten, was zu einem erheblichen Verlust an liquiden Mitteln führte und zahlreiche Konsumgenossenschaften an den Rand des Ruins brachte. Auch Brandenburg (Havel) war davon betroffen.

Bereits 1934 wurde aus dem Verein eine „Verbrauchergenossenschaft“ und am 1. April 1942 überführte man die Genossenschaft in das „Gemeinschaftswerk der Deutschen Arbeiterfront“. Damit war der Verein enteignet.

Am 10. Mai 1945 setzen der Bürgermeister Konrad Eichler und der Stadtrat Otto Schwarz den ehemaligen Geschäftsführer Fritz Müller wieder ein. Auch der alte Name kam zurück. In der sowjetischen Besatzungszone erlässt die Militäradministration bereits am 18.12.1945 den Befehl 176, der die Wiederherstellung der Konsumgenossenschaften und die lastenfreie Rückgabe des konsumgenossenschaftlichen Vermögens anordnet. Die Sowjets sind damit die erste der vier Besatzungsmächte, die die Konsumvereine wieder erlaubten. Sie sahen, getreu der marxistischen Lehre, in Genossenschaften "eine niedere Form des gesellschaftlichen Eigentums". Die Unterstützung für Konsumgenossenschaften war auch politisch motiviert, sie sollte den privaten Handel schwächen.

Bis Ende 1945 öffneten in der Stadt Brandenburg wieder 12 Verkaufsstellen. 1946 wurde die Konsumgenossenschaft Brandenburg (Havel) e.G.m.b.H. wieder als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen. Schnell stiegen die Konsum-Geschäfte mit ihrem System der Rückvergütung – neben der staatlichen Handelsorganisation HO – zum wichtigsten Akteur im Einzelhandel auf. Sie waren zwar formal selbstständig, gleichzeitig jedoch eng in das planwirtschaftliche Lenkungssystem eingebunden. Der Konsum musste allerdings in den Folgejahren den eigenen Großhandel aufgeben und wird durch die staatliche Handelsorganisation (HO) mitbeliefert.

1953 wurde der Konsumgenossenschaftsverband Stadt und Kreis Brandenburg e.G.m.b.H. Eigentümer des Grundstücks.

Nach Vorstellungen der damals in der DDR-Regierenden in dieser Zeit sollte der Konsum vor allem die Versorgung auf dem Land sicherstellen. So folgten die Konsumgenossenschaften ab 1953 auch willig einer „Empfehlung“ des Politbüros der SED, sich künftig vor allem auf die Versorgung der Landbevölkerung zu konzentrieren. Dazu hatten sie im Rahmen ihres Versorgungsauftrages in nahezu jedem auch noch so kleinen Dorf eine meist nicht rentable Verkaufsstelle zu unterhalten. Neben Lebensmittelläden wurden auch Gaststätten und Kaufhallen im Stadt- und Landkreis betrieben. Letzten Endes gab es kaum ein Dorf, in dem es keinen Konsum gab. Zusammen mit den Konsum-Gaststätten entwickelten sich die Verkaufsstellen in den Orten meist zu Zentren des dörflichen Lebens. Beim Ausbau von Räumen zu Verkaufsstellen bzw. bei der Modernisierung der vorhandenen Räumlichkeiten unterstützen in den Dörfern jeweils die LPG-Genossenschaften, die oft über eigene Maurerbrigaden verfügten.

Das führte u.a. auch dazu, dass 1964 der Konsumgenossenschaftsverband Kreis Brandenburg-Land e.G.m.b.H Eigentümer des Grundstücks wurde.

Da die Konsumgenossenschaften bereits in der DDR private Unternehmen waren, ausschließlich ihren rund 4,5 Mio. Mitgliedern gehörten und im Einigungsvertrag schlichtweg vergessen wurden, fielen sie nach 1990 nicht in den Zuständigkeitsbereich der Treuhandanstalt. Das war auch der Grund dafür, dass 1994 nach Vermögenszuordnung 1994 die Potsdamer Warenhandessgesellschaft AG i.A. i.L. ins Grundbuch eingetragen wurde.

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