Wer in der Geschichte der Stadt Brandenburg kramt, stößt auf Vorgänge, die wir uns heute gar nicht mehr vorstellen können. So war es auch mit den ehemaligen Richtstätten in unserer Stadt, die mehr als geschichtsträchtig sind. Sie lagen vor den Toren an weithin sichtbaren Stellen, an denen die wichtigsten und belebtesten Landstraßen vorbeiführten.
So erhob sich der Galgen der Altstadt an der Magdeburger Landstraße am Weg nach Plaue in der Nähe des Altstädtischen Friedhofes. Das Hochgericht der Neustadt befand sich in der Wilhelmsdorfer Straße. Hier stand in der Nähe des Büttelhandfaßgrabens der Galgen oder besser das „Dreibein“ genannt. Es bestand aus drei Mauerpfeilern, die durch Querbalken miteinander verbunden waren. Auf einer Plattform wurden die Hinrichtungen mittels des Rades oder des Schwertes vorgenommen. Die Richtstätte war von einer niedrigen Mauer umgeben.
Weil sich der Henker oder Büttel und seine Knechte nach vollzogener Hinrichtung die Hände in den Wassergraben reinigten, der am Hochgericht vorbeifloss, erhielt das Wasserbecken den Beinamen des „Büttels Handfaß“.
Das Domkapitel hatte seinen Galgen auf dem Wasenberg vor Mötzow. Der Name Wasenberg bedeutet Aasberg. Hier führte die beliebte Landstraße nach Mötzow, Wustermark, Spandau, an Berlin vorbei. Eine weitere Hinrichtungsstätte für den Dombezirk und die ihm unterstellten Ortschaften war der Platz vor der Petrikapelle auf der Dominsel gewesen.
Vom Jahre 1795 – 1840 hat auch auf dem Altstädtischen Markt ein Militärgalgen gestanden. Er wurde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts von den Knechten des Abdeckers Wiggert beseitigt.
Für das Land Brandenburg werden Scharfrichter erst spät erwähnt. Helmut Schumann datiert diese Zeit in seinem Buch „Der Scharfrichter. Seine Gestalt-seine Funktion (1964)“, indem er schreibt: „Im Jahre 1466 muss die Stadt Brandenburg einen solchen im Dienst gehabt haben, denn das Städtchen Ruppin bittet am 14. Juli des Jahres 1466 die Stadt Brandenburg, ihr einen Angstmann (Henker) oder dessen Knecht zur Durchführung einer Hinrichtung zu leihen.“
Die ersten Vertreter waren wohl noch Amtsträger des jeweiligen Stadtrates, jedoch ab etwa 1600 versuchte der Kurfürst, die Bestallungen in der gesamten Mark nach und nach an sich zu ziehen. Akribisch gibt es sogar einen Nachweis aller 19 Henker aus dieser Zeit. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ging die Zahl der öffentlichen Hinrichtungen stark zurück.
Bis zur völligen Abschaffung der Tortur sollten jedoch noch einige Jahre vergehen. Preußen verzichtete unter Friedrich II. 1740 auf die Folter und 1776 erfolgte im Namen der österreichischen Kaiserin Maria Theresia die Beseitigung der Tortur in den gesamten Reichslanden. Zuvor hatte bereits Russland unter Katharina der Großen 1767 die Todesstrafe formal abgeschafft; dies wurde 1787/88 in den Josephinischen Kriminalgesetzen unter Kaiser Joseph II. ebenfalls so gehandhabt. Allerdings führte Franz II., letzter Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, die Todesstrafe für Mord, Hochverrat, Brandstiftung und Fälschung von Kreditpapieren 1795 wieder ein und damit wurden bis 1918 in den österreichischen Ländern Todesurteile durch Erhängen vollzogen.
Die Aufklärung hatte auch hier ihre Spuren hinterlassen, so ist im Allgemeinen Preußischen Landrecht von 1794 bereits nur noch wenig von den ehemals zahlreichen Leib- und Lebensstrafen übrig. Die verschärften Todesstrafen wie das Rädern für Hoch- und Landesverrat wurden seit 1811 nicht mehr ausgesprochen und vollzogen.
Bereits 1848 war die Todesstrafe sowie Pranger, Brandmarkung und körperliche Züchtigung von der Frankfurter Nationalversammlung abgeschafft worden. Jedoch hielten sich nicht alle deutschen Staaten daran (Preußen, Österreich, Bayern, Hannover), so dass diese Regelung kurze Zeit später widerrufen wurde. Im Strafgesetzbuch von 1871 ist bei Vergehen wie Mord, schwerem Hochverrat oder Sprengstoffverbrechen noch das Enthaupten durch Handbeil oder Guillotine angegeben. Auch die Gesetzesentwürfe von 1909, 1913 und 1919 enthalten noch die Todesstrafe. In der Strafprozessordnung von 1877 wurde schließlich unter dem Paragrafen § 486 geregelt, dass die Öffentlichkeit von der Hinrichtung ausgeschlossen war.
In der Stadt Brandenburg waren die Hinrichtungen bis zum Jahr 1822 noch öffentlich. Seit Vereinigung der Altstadt und Neustadt 1715 wurde nur noch das neustädtische Hochgericht benutzt. Der altstädtische Galgen verfiel. Die letzte öffentliche Hinrichtung fand im Jahre 1819 in der Neustadt statt. Der Soldat Kirschbaum wurde wegen Ermordung des unehelichen Kindes seiner Geliebten zur Räderung verurteilt.
Der Galgen der Altstadt wurde im Januar 1824 abgebrochen, im Dezember 1824 verschwand auch das Hochgericht der Neustadt. 1851 wurde für Preußen festgelegt, dass Todesstrafen nicht mehr in der Öffentlichkeit ausgeführt werden. Zeitgleich wurden Todesstrafen immer mehr durch lange Freiheitsstrafen abgelöst. Durch diese Entwicklung bestand auch kein Bedarf mehr für die Vielzahl von Scharfrichtern. So blieb ihnen häufig nichts anderes übrig, als sich auf ihre Abdeckereien zurückzuziehen oder in anderen Berufen Fuß zu fassen.
Mit dem Verkauf der städtischen Meisterei von Gottfried August Hellriegel an den Bäckermeister Johann Friedrich Daniel Wiggert endet die lange Tradition der 19 Scharfrichter in der Stadt Brandenburg.