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Eine kleine Episode aus der Bauzeit des Metallturmes auf dem Marienberg

Historisches
  • Erstellt: 15.10.2024 / 11:01 Uhr von Reiner Heublein
Kürzlich las ich bei Meetingpoint den Artikel [Silberner Turm in Rekordzeit errichtet], wo mir einfach die Zeit vor 50 Jahren viel zu kurz kam. Es wurde über den Bismarckturm berichtet, aber wenig über den Metallturm. Ich habe es zwar bis heute nicht verstanden, wie die damaligen Stadtverordneten einschließlich dem Oberbürgermeister Reinhold Kietz nur aus ideologischen Gründen gegen das alte Bauwerk vorgingen, was anderorts aus gleichen historischen Gründen stehen blieb und heute noch gepflegt wird.  Die Bismarckwarte auf dem Marienberg wurde letzten Endes leider abgerissen und es entstand ein Metallturm, über dessen Schönheit bis heute noch kontrovers diskutiert wird. Aber es war für damalige Verhältnisse vor 50 Jahren eine bauliche Meisterleistung, was die Bauzeit und die Konstruktion betrafen.

Und dazu hatten auch NVA-Angehörige vom Flugplatz Brandenburg-Briest beigetragen. Anlass und Grund genug, über eine kleine Episode aus dieser Bauzeit zu berichten.

Der Kommandeur des Hubschraubergeschwaders 34, Oberst Wolfgang Gleis, erhielt vom Kommando Luftstreitkräfte/Luftverteidigung den Auftrag, bei der Errichtung der Friedenswarte Unterstützung zu gewähren, weil mit herkömmlicher ziviler Technik diese komplizierte Aufgabe, eine ringförmige Verkleidung für die Aussichtsplattform auf den Turm aufzusetzen, nicht lösbar war. Der damalige Staffelkommandeur der 1. Staffel, Oberstleutnant Helmut Fesel, entschied sich, für diese nicht alltägliche Aufgabe, die Hubschrauberführer Major Günther Schröter, Hauptmann Hans-Jörg Wöge und den Bordtechniker Stabsfeldwebel Karl Becher auf Grund Ihrer Zulassungen zu Außenlastflügen einzusetzen.

Im Juli 1974 wurde mit der Vorbereitung begonnen. Es gab viel zu bedenken, weil diese fliegerische Aufgabe nicht in allen Einzelheiten in der Flugbetriebsvorschrift DV 111/0/001 stand und nicht zu den herkömmlichen Aufgaben einer Hubschrauberbesatzung gehörte. Unter Anderem musste die Seillänge bestimmt werden, die für die Schwingungen der Last bestimmend sind. Die Hubschrauberbesatzung hatte den Auftrag, eine ringförmige Verkleidung der fünften und letzten Aussichtsplattform aufzusetzen.

Das Gewicht der Last betrug 500 kg, eigentlich kein Problem für einen Hubschrauber Mi-8, der durchaus Außenlast 2.500 kg aufnehmen kann. Leider hatte das Lastenteil seine Eigenheiten. Der Durchmesser betrug 8 m, war instabil und musste mit Befestigungsstreben fixiert werden. Das Teil war mit drei Drahtseilen, in Dreipunktlage fixiert. Die Drahtseile wurden an einem Knotenpunkt zusammengeführt und von dort führte ein Drahtseil zum Außenlasthaken des Hubschraubers. Es wurden mehrere Probeflüge auf den Segelflugplatz Mötzow durchgeführt.

Der Einsatztag war der 7. August 1974. Der Start erfolgte um 5 Uhr auf dem Segelflugplatz Mötzow. Das VEB Landbaukombinat Brandenburg hatte am Vortag das Bauteil in der gewünschten Form abgelegt. Der Anflug erfolgte in 100 m Höhe über der Stadt entlang der Hauptstraße, über die Jahrtausendbrücke in Richtung Marienberg. Das Ereignis wurde von mehreren hundert Bewohnern unserer Stadt aufmerksam beobachtet. Um den Marienberg wurde weiträumig abgesperrt. Der Hubschrauber ging über den in Bau befindlichen Turm in Standschwebe auf 50 m, das Teil schwenkte an den 5 m langen Seil einige Zentimeter hin und her. Die Triebwerke gingen auf volle Leistung und der Luftdurchsatz der Tragschraube war enorm, weil der Hubschrauber keinen Bodeneffekt in der Höhe hatte, weil die Strömungskräfte stark nach unten wirkten. Das waren nicht die besten Bedingungen für die Montagearbeiter auf der Plattform, die auf eine derartige Situation nicht vorbereitet waren.

Ein Monteur des Landbaukombinates schilderte die Situation so: „Lärm und Luftstrom der Tragschraube waren unvorstellbar laut. Der riesige Hubschrauber hing über uns fast über die Plattform, obwohl wir mit einem Seil gesichert waren. Es war wie ein Orkan, wir waren heil froh, als wir das Bauteil endlich aufgesetzt hatten.“

Der Hubschrauber senkte die Last mehrmals, bis das aufzusetzende Teil in Ruhe war. In dieser Situation kam dem Bordtechniker eine besondere Aufgabe zu. Der Einsatz fand unter dem Hubschrauber statt und die beiden Hubschrauberpiloten konnten nicht sehen, was unter ihnen passierte. Sie handelten auf Anweisung des Bortechnikers über Sprechfunk. Nach knapp 15 Minuten war ihr Auftrag erfüllt, das Teil konnte ausgeklinkt und montiert werden und der Hubschrauber konnte seinen Heimatflugplatz wieder ansteuern. Für die Hubschrauberbesatzung war es einmal eine neue Erfahrung, denn sonst hingen nur Kanonen am Außenlastgeschirr, die von A nach B gebracht wurden.

Auch wenn es nur eine kleine Randgeschichte beim Baugeschehen war, es war es eine besondere fliegerische Herausforderung, die unbedingt auch in der Heimatgeschichte unserer Stadt Erwähnung finden sollte.

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